Allyship um Inklusion voran zu bringen

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Ich habe vor kurzem einen Vortrag von Professor Kenji Yoshino zum Thema Allyship angehört, als zweiter Teil nach dem Vortrag zu Covering.

Unter Allyship versteht man im englischen Sprachraum, die andauernde emphatische Übung sich mit allen zu "verbünden", um eine Kultur der Inklusion zu etablieren und aufrechtzuerhalten.

Inklusion wiederum ist das Ergebnis des kontinuierlichen Bemühens bewusste und unbewusste Vorurteile zu akzeptieren, zu benennen und letztlich dadurch abzubauen. Der "Ally" verbündet sich dabei nicht nur mit denjenigen, die unter den Vorurteilen leiden, sondern auch mit denjenigen, die die Vorurteile haben.

Allyship, das bedeutet Verbündeter für die betroffene Person, Verbündeter für die Quelle des nicht inklusiven Verhaltens und Verbündeter für sich selbst zu sein.

Ein Kernprinzip von Prof. Yoshino ist dabei, Allyship nicht nur zu wollen, um zu helfen und als "Gutmensch" da zu stehen, sondern durch reflektiertes und emphatisches Vorgehen eine Verbesserung für alle zu erreichen.

Mir hat vor allem dieser Gedanke des Allyship "für alle" sehr inspiriert. Es ist lösungs- und nicht "ich fühle mich jetzt besser und moralisch überlegen"-orientiert.

Warum Allyship?

Eine Reihe von Studien hat gezeigt, dass Verbündete, also Dritte, ernster genommen werden als Betroffene, wenn sie nicht integratives Verhalten ansprechen. Verbündete können also schlicht mehr zur Inklusion beitragen.

Ein Netzwerk von Verbündeten kann Betroffenen auch Mut machen, sich selbst zur Wehr zu setzen, oder sich zu outen, also Covering abzustellen.

Es ist also eine von mehreren Möglichkeiten, wie jeder von uns zu einem inklusiven Umfeld beitragen kann.

Das dreistufige Modell

Prof. Yoshino schlägt eine Modifikation des drei-Stufen Models von Keith Edwards vor: Verbündeter für eine Person, Verbündeter für einige Personen und Verbündeter für alle. Es ist, wenn man so will der Weg vom egoistischen Verbündeten zum inklusiven, emphatischen und lösungsorientierten Verbündeten.

Der Verbündete einer Person möchten seinem "Schützling" helfen, zu dem er wahrscheinlich auch eine persönliche Beziehung hat. Allyship dreht sich hier darum die Person konkret und kurzfristig zu schützen. Wenn das erfolgreich war, ist das Thema normalerweise erledigt.

Dass es sich vielleicht auch um unbewusste Voreingenommenheit handelt, interessiert nicht. Dass man sich hier auch zu einem Verbündeten des Voreingenommenen machen kann, etwa durch Aufklärung, Diskussion und nachfragen, ist zweitrangig. Die Welt wird klar in Täter und Opfer eingeteilt.

Als Verbündeter von Einigen gehen wir von der Unterstützung des Einzelnen, zu einer Unterstützung einer Gruppe. Unbewusste Voreingenommenheit und Covering werden hier verstanden, allerdings herrscht immer noch eine Einteilung in Opfer und Täter bzw. Gut und Böse vor.

Man selbst zählt sich dabei zu den Guten. Eigenes, nicht inklusives Verhalten, wird nicht gesehen und man reagiert oft defensiv, wenn darauf aufmerksam gemacht wird.

Oft ist diese Art Allyship nicht nachhaltig, sondern wird verstärkt ausgeübt nach einer inspirierenden Schulung oder dem Lesen eines Buches zum Thema.

Die letzte Stufe ist Allyship für alle. Hier wollen wir nicht nur einem Betroffenen helfen oder einen Täter entlarven, um sich damit moralisch über ihn zu stellen. Nein, hier wollen wir wirklich Verbündeter sein, von allen und uns selbst.

Wir denken systematisch, teilen die Welt nicht mehr in Gut und Böse ein, denken nicht mehr in wir und "die Anderen" und wissen, dass es keine ausschließlich guten Menschen gibt. Unser Ziel ist das System zu verbessern und dafür müssen wir mit allen an allem arbeiten.

Wir akzeptieren auch, dass wir selbst Fehler machen und wollen auch hier unser eigener Verbündeter sein. Wir engagieren uns für Inklusion aus der eigenen Überzeugung heraus und nicht, weil wir anderen gefallen oder uns moralisch über sie stellen wollen.

Allyship ausüben

Wenn ich mich verbünden möchte, macht es Sinn mir zuerst ein paar Fragen zu stellen:

  • Was ist meine Motivation? Will ich wirklich helfen oder mich nur als Retter stilisieren?
  • Habe ich alle Informationen für ein Einschreiten? Habe ich eine Ahnung von der Gruppe, zu welcher der oder die Betroffene angehört? Kenne ich die Geschichte von der Beziehung der Quelle des nicht inklusiven Verhaltens und der betroffenen Person?
  • Wie kann ich möglichst effektiv vorgehen? Macht es Sinn kurzfristig einzugreifen oder gibt es einen langfristigen, systemischen Ansatz? Sollte ich mich vielleicht mit der betroffenen Person zunächst abstimmen?
  • Habe ich die Quelle verstanden und bin ich tatsächlich auch ihr Verbündeter? Ein Verbündeter für alle zu sein, bedeutet, Gegner von niemandem zu sein. Solange eine Person ihre Absicht nicht mitteilt, wissen wir nicht, warum sie sich so verhalten hat.
  • Habe ich über meine Rolle reflektiert und helfe ich der betroffenen Person, wie sie es möchte? Also ohne sie zu kränken oder in Verlegenheit zu bringen?

Fazit

Wie ich schon in der Einleitung angedeutet habe, liegt für mich die Kraft darin, Verbündeter für Alle zu sein. Ich selbst habe immer schon große Schwierigkeiten mit den anderen beiden Stufen gehabt, die allerdings nur zu oft vorzufinden sind.

Moralisch zu argumentieren oder zu handeln nicht um wirklich zu helfen, sondern sich moralisch über Andere stellen zu können, ist leider ein Phänomen unserer heutigen Zeit.

Das finde ich ähnlich schlimm, wie den modernen Ablasshandel: ich wähle und rede Sozial/Grün/Inklusiv, damit ich nachts gut schlafen kann. Ich lebe und prasse aber ansonsten wie gehabt.

Am Beispiel Inklusion hat Prof. Yoshino das für mich sauber unterschieden und kategorisiert.

Jeder von uns kann und sollte zu einer Umgebung beitragen, die jedem erlaubt sein authentisches Selbst zu sein. Irgendwann brauchen wir alle mal einen Verbündeten.