Ernährungsgrundsätze für ein gesundes Leben

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Viel ist über gesunde Ernährung geschrieben, geforscht und debattiert worden. Trotzdem sagt uns die Statistik immer wieder, dass Adipositas, Diabetes mellitus Typ-2, Krebs, Bluthochdruck und viele andere chronische Krankheiten weiter zunehmen.

Das ist erstaunlich, denn eigentlich haben wir das Wissen, diese durch eine gute Ernährung ganz zu vermeiden oder zumindest die Eintrittswahrscheinlichkeit zu reduzieren.

Im aktuellen Scientific Report des 2020 Dietary Guidelines Advisory Committee, das die amerikanischen Ministerien für Gesundheit und Landwirtschaft berät, heißt es dazu:

"consistent evidence that certain dietary pattern components are associated with beneficial outcomes for all-cause mortality, CVD, overweight and obesity, type 2 diabetes, bone health, cancer (breast, colorectal, and lung), and neurocognitive health."

https://www.dietaryguidelines.gov/2020-advisory-committee-report

Es liegt in der Natur einer Sache wie dem Metabolismus, der hoch komplex ist und unser aller Leben betrifft, dass es sehr viele Interpretationen da draußen gibt, wie wir uns gesund ernähren können oder sollten. Dass sowohl von Wissenschaftlern und Ärzten, aber eben auch von Journalisten und Laien.

Da wären zunächst die ganzen Diäten, die uns helfen sollen, wie Atkins, Low-Carb, Low-Fat, Mittelmeer, Paleo, Keto, Vegan, Vegetarisch und was es sonst noch so alles gibt. Ich rede da noch nicht einmal von dem ganzen "6-Wochen Strandfigur", "Trennkost" oder "Blutgruppendiät" Unsinn, den es in Zeitschriften und im Internet in Massen zu finden gibt.

"Ausgerechnet in dem Moment, in dem unsere Ernährung erstmals keine existentielle Überlebensfrage mehr ist, haben wir sie zu einem hoch komplizierten Puzzle aus Gesundheitsfragen, Halbwissen und Lifestyle und religionsähnlichen Überzeugungen gemacht."

Unsere Ernährungsbiografie, Hans Konrad Biesalski

Manche Logik dahinter widerspricht sich, manches ist einfach falsch und vor allem, fast alle diese Diäten basieren auf dem Prinzip der Reduktion, also natürliche Lebensmittel (wie z.B. Fleisch, Getreide) oder gar ganze Makronährstoffe (wie Kohlenhydrate, Fette) aus dem Ernährungsplan ganz oder großenteils, zu streichen.

Diese Reduktion ist ein Problem, denn sie kann per Definition nicht gesund sein, da wir dann auf Nährstoffquellen verzichten. Dazu verstärkt es das Gefühl, dass gesund leben, mit Verzicht gleichzusetzen ist. Dies schreckt ab. Außerdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Versuch gelingt, eine ungesunde Ernährung gleich so radikal zu verändern, eher gering.

Das soll nicht heißen, dass man diese Diäten nicht gesund gestalten kann oder sie sogar therapeutisch im Einzelfall sinnvoll sind. Sie sind aber nicht per-se die Lösung für Jeden. Ich selbst bin Vegetarier. Das hat aber nichts mit Gesundheit zu tun, sondern rein ethische Gründe.

Dann kommen weitere zahllose verwirrende Beiträge in der öffentlichen Diskussion: angefangen von der ewigen Suche nach dem Superfood, bis hin zu fragwürdigen Praktiken, wie zum Beispiel regelmäßig Apfelessig zu konsumieren. Das Internet ist voll davon.

Zutaten für Chili Sin Carne

Die Verwirrung, die aus all dem entsteht, ist ein weiteres Problem. Denn man kann sich schnell einreden, dass das ganze Thema Ernährung nur Quacksalberei ist und man lieber auf niemanden hört und weiter das macht, was einem die Werbung verkündet. Ist auch einfacher so. Oder wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) e. V. schon 2011 so schön formuliert ´hat:

"Die Botschaften, die dabei auf die Verbraucher einwirkten, waren einseitig und/oder widersprüchlich und haben zur Verunsicherung der Bevölkerung bei Ernährungsfragen beigetragen."

Aus dem Vorwort der Evidenzbasierten Leitlinie: Kohlenhydratzufuhr und Prävention ausgewählter ernährungsmitbedingter Krankheiten der DGE e.V.

Hier bezieht die DGE Stellung zur endlosen, hoch politisch wie dogmatisch geführten Kohlenhydrat/Fett-Debatte, aber dazu später mehr.

Neben den Diäten, Dogmen oder Theorien, gibt es die, aus meiner Sicht geeigneteren Regeln oder Grundsätze, die aufgestellt werden. Zum Beispiel die 10 Regeln der DGE oder die 12 wichtigsten Ernährungstipps aus dem Ernährungskompass.

Allerdings sind das schon recht viele Regeln, um sie ständig parat zu haben. Damit sie nicht bedrohlich oder vormundhaft wirken, sind sie für meinen Geschmack auch etwas schwammig formuliert. Da die Ernährungsforschung täglich neue Erkenntnisse gewinnt und die Kausalität auch nicht immer ganz klar ist, wollen solche Personen oder Organisationen des öffentlichen Lebens sich wahrscheinlich auch nicht zu genau festlegen.

Ich habe als Privatperson dieses Problem nicht und kann mir auch keine 10 Regeln merken, daher hier meine Ernährungsgrundsätze:

  • Esse nur echte Lebensmittel (#EchtesEssen) und das in möglichst großer Bandbreite.
  • Trinke viel Wasser.
  • Vermeide Zucker, wo es nur geht.
  • Optional: Kontrolliere die Protein- und Kalorienzufuhr.

Esse nur echte Lebensmittel und das in möglichst großer Bandbreite

Im Grunde ist es einfach: alle natürlichen Lebensmittel sind in Ordnung (ich gehe jetzt vom gesunden Durchschnittsbürger aus, ohne besondere Allergien oder Vorbelastungen).

Ich empfehle sich da auch nicht verwirren zu lassen, was jetzt besonders gesund oder gar ein "Superfood" ist. Studien, Artikel und Meinungen in der Literatur und im Netz gibt es zu fast jedem Lebensmittel. Praktikabilität im Alltag ist aber wichtiger als die Jagd nach der "perfekten Nährstoffzusammensetzung". Ehrlich gesagt halte ich solche Versuche auch für ziemlichen Nonsens.

Natürlich heißt ganz einfach, dass die Industrie daran möglichst wenig herumgepfuscht hat. Das bedeutet, man hat zum einen:

  • nichts entfernt (z.B. die Schale des Weizenkornes in der Mühle oder die Ballaststoffe vom Obst beim Saftpressen),
  • nicht daran herumgepfuscht (z.B. erhitztes bzw. raffiniertes und damit nicht mehr natives Pflanzen-Öl) und
  • nichts hinzugefügt (z.B. Zucker, Farbstoffe oder Geschmacksverstärker).

Letzteres lässt sich einfach prüfen: wenn auf der Zutatenliste der Verpackung mehr steht als das eigentliche Produkt und vielleicht noch Wasser, ist Vorsicht angesagt. Ich würde spätestens dann anfangen genau zu lesen und unbekannte Zutaten auch sauber recherchieren.

Damit wir uns richtig verstehen: die Verarbeitung an sich ist oft notwendig, also Haferflocken aus Hafer, Erdnuss-Mus aus Erdnüssen, Olivenöl aus Oliven oder Vollkornmehl aus Getreide zum Beispiel.

Sobald die Industrie aber mehr macht, verfolgt sie damit andere Ziele: es soll mit möglichst billigen Rohstoffen auskommen, im Regal besser aussehen, einfach zu konsumieren sein, länger halten, einfrierbar sein oder schlicht menschliches Suchtverhalten ausnutzen, um das Gefühl zu vermitteln, dass es "schmeckt".

Gesundheit ist praktisch nie auf der Agenda und deswegen sind so viele Produkte unserer typisch westlichen, sprich industriellen, Ernährungsweise mittlerweile fast schon als toxisch zu bezeichnen.

Große Bandbreite ist ein weiterer Schlüssel, also möglichst viel ausprobieren bei den Zutaten ist angesagt! Das Ziel ist durch diese Vielseitigkeit sicherzustellen, dass wir alle Nährstoffe aufnehmen, die wir brauchen.

Ein Grund warum vegan oder vegetarisch Leben oft als gesund bezeichnet wird ist, dass wir Pflanzenesser uns ganz einfach nach Alternativen umsehen müssen und sich dadurch unsere Bandbreite automatisch stark erhöht und wir uns mehr mit Ernährung beschäftigen. Die Kausalität zur Gesundheit ist dabei die vollwertige Ernährung, die Korrelation ist die pflanzenbasierte Küche. Das bringen manche Autoren leider immer wieder durcheinander.

Ich selbst habe so zu den Nüssen, Samen, nativen Pflanzenölen, fermentierten Milchprodukten, alten Getreidesorten, Hülsenfrüchten und ja, auch zum Tofu gefunden. Damit meine ich, dass ich sie vorher entweder kaum kannte oder viel zu wenig davon gegessen habe.

Bei der Nahrungsbandbreite gilt: Viel hilft viel! Dafür müssen wir auch nicht auf der ganzen Welt einkaufen. Was bei uns im europäischen- und Mittelmeerraum wächst, ist schon ganz ordentlich.

Bandbreite und natürlich! Das erfordert etwas Aufwand und Eingewöhnung, aber es lohnt sich.

Trinke viel Wasser

Da gibt es nicht viel zu sagen, das hat hoffentlich jeder Verstanden. Wichtig ist: Wasser ist das einzige "echte" Getränk. Kaffee, Tee, Wein und Bier sind Genussmittel. Milch ist ein Nahrungsmittel. Saft, Cola & Co. sind Mist! Wenn wir die Flüssigkeiten entsprechend einsortieren und dosieren, ist das schon die halbe Miete.

Ich selbst trinke sehr viel Wasser (über 2L/Tag), leider auch zu viel Kaffee (meine große Schwäche), gerne mal ein alkoholfreies Hefeweizen und ich verwende Milch zum Kochen. Cola, Saft & Co habe ich abgeschworen, da kann ich ja gleich das Rauchen wieder anfangen.

Vermeide Zucker, wo es nur geht

Zugegeben, die Regel klingt radikal und wie angedeutet auch etwas wiederholt nach der ersten Regel. Aber Zucker ist, erstens besonders problematisch und zweites, gibt es da etwas Verwirrung, welche die Nahrungsmittelindustrie auch nach Kräften ausnutzt.

Es gibt nämlich drei Arten, wie heutzutage Zucker in die Nahrung kommt.

Erstens, der natürliche Zucker des Lebensmittels, wie Fructose im Obst oder Lactose in der Milch. Die gehören da rein und unser Körper kann gut damit umgehen (Unverträglichkeiten bzw. Allergien sind wie bereits gesagt etwas anderes.

Zweitens, der zugesetzte Zucker, den die Industrie beimischt. Wie bereits erwähnt, kann es verschieden Gründe dafür geben, aber keiner davon ist in unserem Interesse als Verbraucher.

Ich rede hier nicht nur von den "süßen" Sachen wie Fruchtjoghurts, Keksen und Kuchen, sondern auch von Tomatensoßen, Salatdressings, modernen vegetarischen Brotaufstrichen, Brot und natürlich praktisch allen Fertiggerichten. Im Supermarkt ein herzhaftes Fertigprodukt zu finden, dass keine "Süßspeise" ist, kann schon in Arbeit ausarten.

Drittens, die süßen Getränke. Also Saft, Cola & Co. Das Cola nicht gut ist, weiß denke ich jeder. Saft hat es komischerweise immer wieder geschafft als unbedenklich durchzukommen oder sogar als gesund zu gelten. Dem ist aber nicht so. Es ist hoch konzentrierte Fructose ohne Ballaststoffe. Fanta und Orangensaft unterscheiden sich da nicht wirklich. Wer mehr über Fructose wissen möchte, dem empfehle ich Die bittere Wahrheit über Zucker zu lesen.

Nun ist es so, dass die Zucker in unserer Ernährungsweise so präsent sind, dass wir zwar krank davon werden, aber ein Verzicht einen als reichlich merkwürdig im sozialen Umfeld erscheinen lässt. Also in etwa so, wie vor 30 Jahren keinen Fernseher gehabt zu haben oder heute auf ein Smartphone zu verzichten, oder sich als Teenager auf einer Party weigern mitzutrinken. Die meisten Menschen möchten gerne dazu gehören und nicht als Dogmatiker erscheinen, die etwas beweisen wollen.

Ich selbst versuche es mittlerweile so zu halten: Kuchen, Kekse und Co. esse ich gerne, wenn ich zum Kaffee eingeladen bin oder selbst Besuch habe. Selbst gebackenes ist dabei zu bevorzugen. Ein Eis essen gehen mit den Kindern geht auch immer.

Dagegen steht aber, was ich zuhause esse. Hier versuche ich möglichst auf jeglichen zugesetzten Zucker zu verzichten und süße Getränke trinke ich grundsätzlich niemals. So schaffe ich mir Reserven für das soziale Umfeld.

In ihrem Konsensus Papier von 2018 schreiben die Fachgesellschaften für Adipositas (DAG), Diabetes (DDG) und Ernährung (DGE) dazu:

"sprechen sich für eine maximale Zufuhr freier Zucker von weniger als 10 % der Gesamtenergiezufuhr aus. Freie Zucker umfassen Mono- und Disaccharide, die Hersteller oder Verbraucher Lebensmitteln zusetzen, sowie in Honig, Sirupen, Fruchtsaftkonzentraten und Fruchtsäften natürlich vorkommende Zucker"

Empfehlung zur maximalen Zuckerzufuhr in Deutschland: DGE, DAG und DDG

10%, das sind bei 2000kcal immer noch 50g Zucker. Das entspricht der WHO Empfehlung, die allerdings anmerkt, dass 5% noch mal besser sind. Auch das sollte zu schaffen sein.

Optional: Kontrolliere Protein und Kalorien Zufuhr

Ein Ernährungstagebuch zu führen, hat mir sehr geholfen Transparenz in mein Essen zu bekommen. Ich folge keiner Diät und esse was mir gefällt. Das Tagebuch mach das Ganze trotzdem sehr berechenbar.

Ich konzentriere mich dabei auf zwei Werte: am wichtigsten sind natürlich die Kalorien. Da habe ich eine Obergrenze, die ich allerdings durch Bewegung nach verschieben kann. Das motiviert als Nebeneffekt zum Sport.

Danach versuche ich eine Mindestmenge an Protein zu erreichen. Das kann der Körper nicht selbst herstellen und ist daher überlebenswichtig. Protein kommt in unserer Ernährung generell etwas zu kurz und durch meinen Sport habe ich hier auch einen höheren Bedarf. Mehr Protein in der Ernährung hat eine Vielzahl von gesundheitlichen Vorteilen.

Die Empfehlung der DGE liegt immer noch bei 0.8g pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag für einen Erwachsenen unter 65. Das ist als untere Grenze zu verstehen, geht von sehr wenig Bewegung und ausgewogener Ernährung inklusiver tierischer Produkte aus. Ich selbst versuche immer über 2g/kg zu bleiben.

Fett vs. Kohlenhydrate ist zwar ein sehr emotional aufgeladenes Thema, aber nach meinem Dafürhalten in der Praxis eher irrelevant. Hier ist es wichtiger, wie im Grundsatz eins beschrieben, die Qualität der beiden Makronährstoffe (z.B. durch Vollkorn, viel Ballaststoffe, hochwertige Öle, Nüsse, Samen etc.) hoch zu halten. Ich zitiere hier wieder die DGE:

"Wichtiger als eine Diskussion über Nährstoffrelationen ist aus Sicht der DGE eine generell zu hohe Energiezufuhr und die Qualität der Ernährung, d. h. der zu geringe Verzehr von ballaststoffreichen Lebensmitteln (bspw. Vollkorn, Hülsenfrüchte, Gemüse, Obst) und der zu hohe Verzehr von einfachen Kohlenhydraten (Mono- und Disaccharide) in Form von zugesetztem Zucker und raffinierter Stärke."

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Ich habe des Weiteren noch ein Auge auf die Menge an Ballaststoffen. Das mache ich aber eher aus Neugier. Meine Ernährung ist mittlerweile voll davon, da ich praktisch nichts mehr esse, wo diese entfernt wurden (wie Weißmehl, weißen Reis oder Saft).

Aufschreiben diszipliniert und es gibt einem zum Ende des Tages noch mal die Chance nachzujustieren. Wenn man das erst einmal draufhat, kann man es auch wieder sein lassen bzw. durch gelegentliches Schätzen, etwas ungenauer werden.

Fazit

Dies ist jetzt einer meiner längsten Beiträge geworden und trotzdem ist er weder sauber wissenschaftlich begründet noch ansatzweise detailliert genug. Ernährung ist ein sehr facettenreiches Thema, wie angedeutet auch recht politisch und auch noch nicht vollständig verstanden, weder biochemisch noch ethnologisch.

Gute Quellen gibt es aber zuhauf. Der Ernährungskompass ist immer ein guter Einstieg, aber auch die DGE, die ASN (englisch) oder das Bundeszentrum für Ernährung bieten eine Fülle an sauber belegtem, kostenlosem Material.

Last but not least bleibt noch die oft gestellte Frage: "Aber was ist mit dem Genuss?"

Kurz gesagt, Schrott essen ist wie rauchen. Irgendwie "lecker", aber dann doch ganz schön bescheuert. Ich auch sehr viel Genuss. Wenn ich den Tag zum Beispiel mit einem Bircher Müsli beginne, mir dann einen Haferpfannkuchen zum Mittag gönne und den Tag mit einem Kichererbsensalat abschließe, hatte ich sehr viel Freude am Essen. Dann geht auch mal Schokoladenkuchen zum Kaffee.

Ich gebe allerdings zu, dass mein Ansatz zeitaufwendiger ist, als im Supermarkt einfach ins Regal zu langen oder in die Kantine zu gehen.

Das ist die Kurzfassung der Antwort auf die Frage nach dem Genuss, die Langfassung schreibe ich ein anderes Mal.

Ernüsse mit und ohne Schale und Erdnussmus