Covering als Hindernis für Inklusion

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Ich hatte vor kurzem die Möglichkeit, mir einen Vortrag von Professor Kenji Yoshino zum Thema Covering anzuhören. Als Covering bezeichnet man die Strategie, mit der ein Mensch eine bekannte stigmatisierte Identität verbirgt, um zur breiten Masse zu gehören.

Professor Yoshino hat dazu schon 2006 ein Buch geschrieben und mir war das Prinzip auch nicht unbekannt. Wir alle verstellen uns im Alltag immer wieder, aber so richtig nachgedacht, habe ich darüber nicht. Dieser Vortrag hat mir neue Einblicke und Denkanstöße mitgegeben.

Covering mag im ersten Augenblick als Thema erscheinen, von dem vor allem Minderheiten betroffen sind. Prof. Yoshino argumentiert hingegen, dass jeder in irgendeinem Bereich nicht dem Regelfall entspricht. Es ist daher ein universelles Phänomen, in welchem jeder mal Opfer und mal Täter ist.

Covering wird abgegrenzt vom Passing, welches bedeutet, dass die Teilnehmer von der Zugehörigkeit zur stigmatisierten Identität nichts wissen, zum Beispiel der sexuellen Ausrichtung.

Bei Covering wissen sie es, entweder weil die Zugehörigkeit nicht verborgen werden kann oder der- oder diejenige es nicht will. Trotzdem wird von der Mehrheit erwartet, dass die Identität verborgen wird, um der vorherrschenden Identität zu entsprechen. Kurz gesagt: "so zu sein" ist ok, "sich so zu verhalten" nicht.

Die vier Verschiedenen Arten von Covering

Es gibt vier verschiedene Arten von Covering: Erscheinungsbild, Zugehörigkeit, Verteidigung und Assoziation.

Covering des Erscheinungsbildes ist eine Veränderung der Selbstdarstellung, sei es durch Kleidung, Verhalten, Frisur oder Accessoires. Ein berühmtes Beispiel ist hier der ehemalige Präsident Franklin Delano Roosevelt, der bekanntermaßen aufgrund einer Polio-Erkrankung im Rollstuhl saß und alles daransetzte, diesen Umstand gegenüber der Öffentlichkeit zu verschleiern. So wurden Fotos vor allem von der Taille aufwärts von ihm gemacht und er ließ den Resolute Desk des Präsidenten umbauen, damit seine Beine verborgen waren.

Als Covering der Zugehörigkeit bezeichnet man, wenn Personen durch ihr Verhalten vermeiden mit einer Identität assoziiert zu werden. Ein gutes Beispiel ist hier die ehemalige Premierministerin Margaret Thatcher, die zwei Jahre lang Sprech- und Stimmunterricht nahm, um ihre Stimme tiefer, also weniger feminin, klingen zu lassen und um ihren sozioökonomischen Hintergrund zu verbergen. Sie kam aus einfachen Verhältnissen.

Unter Covering basierend auf Vermeidung versteht man, dass Personen es meiden, sich für ihre Gruppe einzusetzen. Eine Frau, die nicht gegen einen frauenfeindlichen Kommentar vorgeht, ist hier ein Beispiel. Es mag sie stören, aber sie möchte nicht als empfindlich gelten oder sich mit der Mehrheit der Männer anlegen.

Covering der Assoziation bedeutet, Kontakt zu Mitgliedern der eigenen Identität in der Öffentlichkeit zu meiden. Eine homosexuelle Person zum Beispiel könnte vermeiden, den eigenen Partner zu einer Feier mitzubringen, um keine Aufmerksamkeit zu erregen.

Diese vier Arten (oder "Achsen" nach Prof. Yoshino) geben eine gute Hilfestellung, Covering zu erkennen und sich damit auseinanderzusetzen.

Covering am Arbeitsplatz

Die Unternehmensberatung Deloitte hat dazu eine Befragung durchgeführt, wer sich von Covering betroffen fühlt. Die Zahlen gehen von 83% für Mitglieder der LGBTQI+ Gruppe, über 66% der Frauen, zu immerhin noch 45% bei heterosexuellen, weißen Männern.

Dies zeigt die Lasten sind ungleich verteilt. Allerdings wie bereits angesprochen, sind am Ende Alle betroffen.

Die Lösung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und liegt bei uns allen. Allerdings haben Unternehmen auch ein geschäftliches Interesse, denn Covering führt zu einer Kultur des Anpassens und der Konformität, was letztendlich die Leistung einer Organisation vermindert.

So hat man in Umfragen ermittelt, dass 60-70% der Betroffenen Covering als nachteilig für ihr Selbstwertgefühl wahrnehmen. Der Druck, Covering auszuüben, hat auch einen negativen Effekt auf ihr Engagement für das Unternehmen.

Die häufigste Form des Coverings in der Befragung bei Frauen war die Verantwortung bei der Familienpflege herunterzuspielen. Bei Männern war es die Andeutung psychischer Erkrankungen.

Wie angehen?

Prof. Yoshino gibt uns hier drei Wege vor. Der erste ist Covering zu verstehen und damit eine Aufmerksamkeit für die vier Arten zu entwickeln. Zweitens, eine wahrgenommene Forderung nach Covering sofort anzusprechen. Drittens, die eigene Geschichte zu teilen. Da Covering uns alle angeht und wir alle sicher schon mal das Gefühl hatten, etwas am Arbeitsplatz verbergen zu müssen, gibt es auch was zu erzählen.

Fazit

Jeder von uns ist aufgefordert ein Umfeld zu schaffen, wo jeder sein authentisches Selbst sein kann. Wir sind alle betroffen und haben alle einen Anteil an der Lösung.