The Power of Habit von Charles Duhigg

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The Power of Habit: Why We Do What We Do in Life and Business (deutsch: Die Macht der Gewohnheit: Warum wir tun, was wir tun) vom New York Times Reporter Charles Duhigg ist ein Buch über Gewohnheiten: Warum sie existieren und wie wir sie in unserem Sinne beeinflussen können. Es ist in über 40 Sprachen übersetzt worden und war seinerzeit ein absoluter Bestseller.

Die Grundthesen des Buches sind:

  • Viele Entscheidungen, die wir täglich treffen, sind nicht das Ergebnis eines bewussten, wohl überlegten Prozesses, sondern schlicht Gewohnheit. Ob wir uns eine Zigarette in einer Pause anstecken, morgens als erstes einen Kaffee machen oder abends den Fernseher anschalten, ist "eine Frage der Gewohnheit".
  • Praktische alle Gewohnheiten können verändert werden, wenn wir verstanden haben, wie sie funktionieren. "Schlechte" Gewohnheiten können nicht gelöscht, aber durchaus verändert werden.
  • Alle Gewohnheiten haben mal mit einer Entscheidung angefangen, werden durch Wiederholung dann aber immer mehr zu einer Gewohnheit. Die ursprüngliche Entscheidung kann dabei bewusst oder unbewusst gewesen sein.
  • Gewohnheiten gibt es sowohl bei Individuen, als auch in großen Gruppen und Organisationen.
  • Gewohnheiten können miteinander zusammenhängen und die Mächtigsten können bei Änderung zu einer ganzen Kaskade von Veränderungen führen. Wer Sport treibt, achtet auch mehr auf Ernährung und genügend Schlaf. Wer raucht hingegen, trinkt oft mehr Alkohol, Kaffee und isst Fastfood.

Diese Thesen werden belegt mit einer Vielzahl von Beispielen aus Gesellschaft und Geschäftswelt.

Zum Inhalt von The Power of Habit

Das beginnt zunächst mit dem Erläutern der biologischen Basis. Warum haben wir eigentlich Gewohnheiten und welcher Teil des Gehirns ist für sie verantwortlich?

Das Gehirn kann man sich wie eine Zwiebel vorstellen. Je weiter innen, desto älter aus evolutionsbiologischer Sicht und primitiver ist die Schicht. Für Kreativität und Humor zum Beispiel, muss das Gehirn viel arbeiten und die Prozesse finden in den äußeren Schichten statt.

Ganz im Zentrum sitzen die Basalganglien. Sie sind für unsere einfachsten, primitivsten und am meisten automatisierten Funktionen verantwortlich. Dinge, über wir nicht mehr nachdenken müssen, wie das Atmen und Schlucken, aber auch wenn wir uns erschrecken und dabei zusammenzucken.

Dies macht das Gehirn, um Aufwand und Energie zu sparen. So ist es dann auch bei den Gewohnheiten, die man mit "Copy & Paste" vergleichen kann. Das Gehirn wird immer versuchen möglichst viele Gewohnheiten zu identifizieren, um möglichst viel "Denk"-Aufwand durch Automatisierung sparen zu können.

Hirnmessungen zeigen, dass nach Etablierung einer Gewohnheit die Gehirnaktivitäten immer mehr abnehmen. Die Optimierung funktioniert.

Jetzt führt das Buch den Gewohnheitskreislauf als Begriff ein ("Habit Loop"). Der beginnt mit dem Auslöser ("cue"), gefolgt von der Routine und dann der abschließenden Belohnung ("reward"). Gewohnheiten folgen immer diesem Ablauf.

"A habit is a formula our brain automatically follows: When I see CUE, I will do ROUTINE in order to get a REWARD."

Duhigg, Charles. The Power of Habit

Von all den Beispielen hat mich am meisten das von Eugene Pauly beeindruckt. Die Erkenntnisse, die Forscher des MIT aus der Arbeit mit ihm gewinnen konnten, gelten als bahnbrechend. Eugene hatte eine tragische Virusinfektion, die nicht unerhebliche Teile seines Gehirns schwer und irreparabel geschädigt haben. Als Konsequenz daraus, hatte er sein Kurzzeitgedächtnis vollständig verloren und auch die letzten 10 Jahre seines Lebens.

Trotzdem konnte er noch erstaunliche Dinge durchführen. So konnte er nicht sagen, wo die Küche in seinem Haus ist, oder gar der Kühlschrank. Es brachte auch nichts, es ihm zu zeigen, weil er es nach wenigen Minuten schon wieder vergessen hatte. Trotzdem stieg er morgens aus dem Bett, ging in die Küche und machte sich Frühstück. Dann wurde er wieder müde und ging zurück ins Bett. Kurze Zeit später wachte er wieder auf, ging erneut in die Küche und wiederholte das Frühstück. Das ging so drei- bis viermal.

Das Gehirn war in der Lage, diesen Ablauf aus der Gewohnheit heraus zu erledigen, ohne "zu wissen", wo die Küche ist oder wie man überhaupt Frühstück macht. Was es brauchte, war der Auslöser (Aufwachen), die Routine (Frühstück machen) und die Belohnung (Essen). Schon wenige Minuten später wusste er nicht mehr, dass er bereits gefrühstückt hatte. Daher die Wiederholungen.

Es gelang Wissenschaftlern auch, ihm neue Routinen beizubringen. Sie verwendeten dazu ein Merkspiel mit Karten, die auf jeder Seite ein anderes Symbol haben und er sich merken musste, welche Seite zu welcher gehört, um sie richtig aufdecken zu können.

Ein gesunder Mensch kann das nach ein paar Minuten aus dem Gedächtnis. Eugene konnte das auf Grund seiner Behinderung nicht, aber durch regelmäßiges Wiederholen über mehrere Wochen hinweg, ging es zur Gewohnheit über, die richtige Kartenrückseite vorherzusagen. Da Eugene nicht mehr wusste, die Karten jemals vorher gesehen zu haben, kam es ihm selbst wie Magie vor, dass er die Kartenrückseite erraten konnte.

Spannend ist auch das Produktmarketing am Beispiel des Geruch-Erfrischers Febreze. Die Suche nach Gewohnheiten von Konsumenten, ist im Marketing schon seit 100 Jahren eine Standardpraxis.

Der Hersteller ging von dem Auslöser "Gestank" und der Belohnung "Gestank weg" für die Gewohnheit, Febreze zu verwenden, aus. Auf diese Annahme wurden Werbung und Produktkommunikation ausgerichtet. Das Produkt kam aber nicht gut bei den Testverbrauchern an. Es stellte sich heraus, dass die meisten Menschen den "Gestank" in ihrer Wohnung selbst nicht warnahmen, weil sie daran bereits gewöhnt waren. Der antizipierte Auslöser funktionierte deshalb nicht.

Das Produkt-Team kam dann darauf, dass der richtige Auslöser das Putzen an sich ist und die Belohnung der gute Geruch, nach getaner Arbeit. Entsprechend wurde das geruchlose Febreze parfümiert und die Werbung entsprechend ausgerichtet. Febreze wurde ein Riesenerfolg.

Die antizipierte Belohnung ist in dem Febreze Beispiel eine weitere wichtige Erkenntnis. Der gute Geruch nach getaner Arbeit wird antizipiert und daraus entsteht das Verlangen, die Gewohnheit einzuleiten. Dieses Verlangen nach der Belohnung ist einer der Schlüssel, warum Gewohnheiten entstehen.

"Cravings are what drive habits. And figuring out how to spark a craving makes creating a new habit easier."

Duhigg, Charles. The Power of Habit

Diese Erkenntnis ist insofern wichtig, weil es uns ermöglicht, schlechte Gewohnheiten abzustellen, aber auch neue, gewünschte Gewohnheiten in unser Leben einzuführen. Wir wollen öfters laufen gehen? Dann gönnen wir uns doch ein Stück dunkle Schokolade nach dem Lauf. Der Gedanke an die leckere Schokolade, treibt uns in die Laufschuhe. Zusammen mit einem Auslöser, zum Beispiel "nach Feierabend", haben wir alle Voraussetzungen, das Laufen zu einer Gewohnheit werden zu lassen.

Wir können schlechte Gewohnheiten auch ändern: Der Gang zum Rauchen mit Kollegen, um mal vom Schreibtisch weg zu kommen und sich mit sozialer Interaktion zu belohnen zum Beispiel. Dies könnte ersetzt werden mit einem kleinen Spaziergang im Büro, der mit einem Plausch mit Kollegen am Schreitisch endet. Der Auslöser "muss vom Schreibtisch weg" bleibt gleich, die Belohnung "soziale Interaktion" auch, nur die Routine wird durch eine bessere Ersetzt.

"a habit cannot be eradicated—it must, instead, be replaced. And we know that habits are most malleable when the Golden Rule of habit change is applied: If we keep the same cue and the same reward, a new routine can be inserted."

Duhigg, Charles. The Power of Habit

Nach dem Gewohnheitskreislauf und der antizipierten Belohnung ist das nächste Prinzip, welches der Autor einführt, dass von Schlüsselgewohnheiten. Eine Veränderung hier, setzt eine Kaskade von weiteren Veränderungen in Gange. Ein Beispiel: Als Paul O’Neill seinen neuen Job als CEO von Alcoa übernahm, setzte er den gesamten Fokus auf eine neue Gewohnheit, um den strauchelnden Konzern in die Zukunft zu führen: Arbeitssicherheit.

Das mag zunächst merkwürdig anmuten und tatsächlich waren Aktionäre mehr als geschockt: Den neuen CEO schien nur dieses eine Thema zu interessieren. Die Etablierung einer neuen Gewohnheit initiierte eine Welle von weiteren Gewohnheiten. Die neue Gewohnheit war, dass nach einem Unfall (Auslöser), der Fabrikleiter dies innerhalb von 24 Stunden an den CEO melden musste (Routine). Die Belohnung war, dass nur befördert werden konnte, wer sich an die Vorgabe hielt.

So mussten die Fabrikleiter ihre gesamten Prozesse modernisieren, um die gewünschte Sicherheit zu gewährleisten, was insgesamt zu effizienteren Prozessen führte. Da Arbeitsunfälle innerhalb von 24 Stunden nach Eintreten beim CEO auf dem Tisch sein mussten, war die Organisation gezwungen sich zu modernisieren, um die Kommunikation durch die Hierarchie zu beschleunigen.

Die Einladung des CEOs an alle Mitarbeiter sich bei Sicherheitsproblem direkt bei ihm zu melden, führte zu der Gewohnheit, dass alles mögliche bottom-up vorgeschlagen und gemeldet wurde.

"So how did O’Neill make one of the largest, stodgiest, and most potentially dangerous companies into a profit machine and a bastion of safety? By attacking one habit and then watching the changes ripple through the organization."

Duhigg, Charles. The Power of Habit

Das dritte große Kapitel beschäftig sich mit sozialen Gewohnheiten, die so mächtig sind, dass sie aus Gemeinschaften eine Bewegung machen können. Das Buch führt hierfür den Begriff von starken und schwachen sozialen Bindungen ein.

Freundschaft, als soziale Gewohnheit mit der starken Bindung zwischen Freunden und Nachbarn, beginnt eine Bewegung. Die schwachen Bindungen innerhalb von Gemeinden halten die Bewegung dann am Laufen.

Ein Beispiel ist das von der Afro-Amerikanerin Rosa Parks aus Montgomery in Alabama in den 50ern, die verhaftet wurde, weil sie auf einem Sitzplatz für Weiße im Bus gesessen hatte. Die Bewegung, die damit startete, begann bei ihren Freunden und Nachbarn, die sie unterstützen wollten, ging dann aber über auf die gesamte Afro-Amerikanische Gemeinde der Stadt.

Es entstanden organisierte Proteste und ein Boykott des städtischen Busverkehrs. Diese Bewegung machte am Ende einen Pfarrer der Stadt namens Martin Luther King Jr. weltberühmt, der die Führung der Bewegung übernahm. Der Rest ist Geschichte.

"A movement starts because of the social habits of friendship and the strong ties between close acquaintances. It grows because of the habits of a community, and the weak ties that hold neighborhoods and clans together. And it endures because a movement’s leaders give participants new habits that create a fresh sense of identity and a feeling of ownership."

Duhigg, Charles. The Power of Habit

Fazit

The Power of Habit ist eine gelungene Übersicht über das Thema und dem Stand der Wissenschaft. Die Erkenntnisse und Kernaussagen werden gelungen durch eine Vielzahl von Beispielen untermauert. Gewohnheiten als Begriff auch auf Unternehmen, Organisationen und Gesellschaften zu beziehen war mir neu, wird aber gut und einleuchtend erklärt.

Das Buch gibt zum Ende hin zwar noch ein paar Tipps, wie eigene Gewohnheiten gezielt verändert werden können, aber insgesamt kommt der Lerneffekt vor allem aus den Beispielen. Das Buch ist also weniger ein expliziter Ratgeber, als ein Sachbuch, das implizit Anhaltspunkte für das Privat- und Berufsleben gibt.

"this book doesn’t contain one prescription. Rather, I hoped to deliver something else: a framework for understanding how habits work and a guide to experimenting with how they might change."

Duhigg, Charles. The Power of Habit

Bei den Beispielen liegt allerdings auch die Schwäche des Buches. Ein überschaubares Thema wird ziemlich ausgedehnt und bisweilen langatmig betrachtet. Etwas weniger Beispiele hätten es auch getan. Ein Überspringen ist nur schwer möglich, da der Autor verschiedene Handlungsstrenge recht kompliziert miteinander verwebt.